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Lokportrait: Die Baureihe 1089/1189 der ÖBB
Ein Mitglied der Krokodil-Familie -Teil 5-
 

Im Bahndschungel der Kriechtiere
Infolge ihrer Konstruktion mit den beiden gelenkigen Vorbauten, dazu noch in grau-grüner Farbgebung, wurden die Maschinen der heimischen Reihen E 93, E 94 und 1020 von den Bahnfreunden vielfach als “Krokodile” bezeichnet. Anlehnung gab es dabei an die sehr bekannten Fahrzeuge aus der Schweiz (Baureihen Be 6/8 und Ce 6/8) und an die weniger bekannten, aber ähnlichen österreichischen 1089/1189er, die wegen ihrer erheblich längeren und schmaleren Vorbauten hingegen wesentlich “krokodilgemässer” aussahen. Zusammen mit vergleichbaren Maschinen, vornehmlich in Frankreich und Italien, sowie einigen Exemplaren bei schweizerischen Schmalspurbahnen hat sich somit in bestimmten Hobbykreisen die Vorstellung einer ganzen “Krokodil-Familie” von Ellok-Mitgliedern verbreitet. Nach Vorstellung der E 94 der DB und 1020 der ÖBB sowie der deutschen E 93, dazu das Portrait der schweizerischen Schmalspur-Reptilien, schliessen wir mit der Baureihe 1089/1189 der ÖBB die “Besuche bei unserer speziellen Familie” ab.   (Red. 8/2007)
 

Das österreichische Krokodil vor der Alpenkulisse, das war jahrzehntelang ein typisches Motiv für die fotografierenden Bahnfans. Die Klappen am Motorvorbau waren zur Kühlung vielfach offen, früher manchmal gar abgenommen. Wir sind im letzten Einsatzgebiet auf der Salzkammergut-Strecke (Bf. Steeg am 7. Juni 1977).
Foto Wilfred Sieberg

Mit vereinten Kräften geht es durch das Salzachtal. Am Pass Lueg (Passübergang nur für die Autofahrer) bricht der Fluss Richtung Salzburg durch eine Enge vom Pongau in den Flachgau. Die Linie ist ein wichtiger Zubringer der südlich folgenden Tauernbahn. Im Bild der D 207 mit 1100.001 (DR E 89 001) und 1170.203 (E 45 203) im September 1938.
Foto Carl Bellingrodt Sammlung VOBA

Zwei Krokodile sind heute noch fahrtüchtig und beliebte Maschinen vor Sonderzügen. Hier die toll aufgemöbelte 1189.05 in ihrer alten Urheimat in Landeck. Denn am Arlberg wurden ab 1924 die ersten Einsätze mit dieser Lok gefahren. Am 22. September 1984 gab es hier mehrere Oldtimer zu bewundern (hinter der Lok steht u.a. eine 52er-Dampflok).
Foto Wilfred Sieberg

Eine schwere Ellok für die österreichischen Bergstrecken
Die Baureihe 1100 ist in Zusammenhang zu sehen mit einem Elektrifizierungsprogramm, das in Österreich nach Ende des Ersten Weltkrieges und den damit für die alte Monarchie verbundenen Gebietsverlusten zu sehen ist. Um 1920 sah dieses Vorhaben zunächst die Elektrifizierung der Arlbergstrecke, der Salzkammergut- und Brennerlinie sowie der Giselabahn über Saalfelden vor. Dazu wurden besonders für die Rampen starke Gebirgslokomotiven gebraucht, die dann zur Entwicklung der 20.350 mm langen Maschinen mit der Achsfolge (1`C) (C`1) führte. Von den Firmen BBC Wien und Wiener Lokomotivfabrik (WLF) wurden insgesamt sieben Maschinen gebaut, die zwischen dem Januar 1923 und Mai 1924 abgenommen wurden. Sie erhielten die Bezeichnungen 1100.001 bis 007. Probebetrieb gab es mit den ersten beiden Maschinen (die 001 hatte übrigens für kurze Zeit die Ordnungsnummer 01) auf der Preßburgerbahn sowie auf der steilen Karwendelbahn zwischen Innsbruck nach Mittenwald. Die 1100.003 weilte zudem im Oktober 1923 am Gotthard für Vergleichsfahrten mit den schweizerischen Fahrzeugen ähnlicher Bauart. Zum Einsatz kamen die Krokodile dann zuerst auf der Arlberglinie, die in mehreren Losen zwischen dem 22. 7.1923 (Innsbruck -Telfs) und dem 6.8.1926 (Bludenz - Feldkrich) unter Fahrdraht kam. Besonders auf den Rampenstrecken zum Tunnel hinauf konnten die Loks mit einer Stundenleistung von 1.760 KW ihre Leistung entfalten. Vorspanndienste waren aber auch hier weiter an der Tagesordnung. Mögliche weitere Neubauten gingen auch in Richtung einer anderen Loktype. Aber die guten Erfahrungen mit den Reptilien führten dann zur Bestellung weiterer neun Maschinen, die anno 1926/1927 mit den Betriebsnummern 1100.101-109 eingestellt wurden, entsprechend der österreichischen Geflogenheiten also als Unterbaureihe 1100.1. Sie waren von der Konzeption her gleich, aber stärker (1.900 KW) und mit 75 km/h etwas schneller (die erste Lieferung war für 65 km/h ausgelegt, wurde aber bald auf 70 km/h erhöht).  
 

Der Bahnknoten Attnang-Puchheim an der Westbahn war nach dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiges Einsatzgebiet der österreichischen Krokodile. Die meisten Bahnfreunde werden die Loktype wohl nur hier bzw. von den ausgehenden Linien gesehen haben. Ab 1969 wurden alle 1089/1189er-Loks hier zusammengezogen (1189.02 am 13.6.1973).
Foto VOBA

Die 1189.02 war die einzige Lok der beiden Schwesterbaureihen, die im Jahre 1971 den blutorangen Anstrich samt Zierstreifen verpasst bekam. Das Outfit stand der Maschine nicht schlecht, die dadurch trotz ihres Alters irgendwie “moderner” wirkte. Hier ein Bild im Bf. Kefermarkt an der Linie zwischen Linz und Summerau (24. Juni 1977).
Foto Wilfred Sieberg

Mitten im Zweiten Weltkrieg (Juni 1942) besuchte der Wuppertaler Fotomeister den Bahnknoten Attnang-Puchheim an der Westbahn zwischen Salzburg und Liniz. Die abgedunkelten Laternen der E 89 107 künden von einer schlimmen Zeit. Als Güterzugbegleitwagen musste an diesem Tag ein alter Abteilwaggon herhalten.
Foto Carl Bellingrodt Sammlung VOBA

Betriebliches bis zum Zweiten Weltkrieg
Die sechzehn Loks der Baureihen 1100.0 und 1100.1 kamen zunächst im westlichen Österreich, vornehmlich von Innsbruck aus, zum Einsatz. Nach der Arberglinie gab es Einsätze zum Brenner hinauf, dann bald aber ostwärts auch über Wörgl und Saalfelden nach Salzuburg und auf der Tauernbahn. Eine Übersicht vom September 1937 weist die Maschinen folgenden Depots zu: Innsbruck 1100.001-007 (7); Bludenz 1100.106-107 (2); Salzburg 1100.101-105, 108-109 (7). Nach Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich im Jahre 1938 wurden die Loks anschliessend ins Nummernschema der Reichsbahn eingeordnet, und zwar als Bauriehe E 89. Die Ordnungsnummern blieben gleich. Ein neues Einsatzgebiet erschloss sich ab dem Dezember 1940, als ein Teil der wichtigen Westbahn zwischen Salzburg und Attnang-Puchheim elektrifiziert werden konnte. Gleichzeitig erfolgte eine weitgehende Ablösung der Dienste auf den grossen Bergtransversalen, denn hier konnte die wesentlich stärkere E 94 der DR bessere Arbeit leisten. Während der Kriegszeit wurde die E 89 001 nach einem Unfall im Juni 1943 ausgemustert. Die E 89 007 fiel einem Bombenangriff zum Opfer und wurde im Dezember 1943 kassiert (siehe unten). Weitere Kriegsschäden hatten vor allem die E 89 002 und 006 zu verzeichnen (siehe unten). 
 

Bei einem Besuch in der Zugförderungsleitung von Attnang-Puchheim anno 1982 war die 1189.05 noch neben dem Schuppen abgestellt. Man sah ihr schon den fehlenden Einsatz an (Ausmusterung erfolgte mit den beiden anderen restlichen Schwestern zum 10.12.1979). Einige Jahre später war die alte Herrlichkeit aber wieder hergestellt. Auf der grossen Parade in Straßhof anlässlich des 150jährigens Jubiläums der österreichischen Eisenbahnen erfreute sie die Eisenbahnfreunde mit ihrer tollen Erscheinung (Foto vom 30. August 1987).
Foto oben Heinrich Priesterjahn
Foto unten Wilfred Sieberg

Ein tolles Bild aus der Zeit des Einsatzes unter Recihsbahn-Regie (E 89 005 und 001). Mit den vier Stromabnehmern an der Fahrleitung strotzen die beiden Maschinen nur so vor Kraft. Der genaue Aufnahmeort und der Zeitpunkt sind uns nicht überliefert. Der Fotograf Hermann Maey war auch ein Mitarbeiter beim Deutschen Lokomotivbild-Archiv.
Foto Hermann Maey Sammlung VOBA

Hier macht das Krokodil seinem Namen alle Ehre, wenn es sich so “räkelnd” in die Kurve legt (bei Steeg im Juni 1977). Mit den riesigen Scheinwerfern wirkt das Reptil so, als ob man uns - mit den Augen - verspeisen wollte. Die ÖBB-Loks waren im Aufbau wesentlich zierlicher als die bekannten schweizerischen Maschinen. 
Foto Wilfred Sieberg

Nachkriegszeit und Einsatz bei den ÖBB
Die unmittelbare Nachkriegszeit stand in Österreich wie bei den anderen betroffenen Bahnen natürlich zunächst in einer Sichtung des einsatzfähigen Rollmaterials und einer eventuell notwendigen Aufarbeitung von Schadloks. Dies betraf auch die E 89 002 und 006, die in der Schweiz aufgearbeitet wurden. Da die finanziellen Mittel fehlten, kamen die beiden Fahrzeuge zwischen März 1946 und Februar 1948 auf dem Netz der Eidgenossen zum “Kompensationseinsatz”. Wieder aufgebaut wurde bis 1950 auch die zerstörte E 89 001, wobei Teile der E 89 007 Verwendung finden konnten. Anfang der 50er Jahre wurde in Österreich eine Reform der Lokbezeichnungen in Gang gesetzt, was dazu führte, dass die Krokodile ab 1953 nun als Baureihen 1089 und 1189 eingestellt wurden (mit den Ordnungsnummern 1089.01 bis 06 sowie 1189.01 bis 09). Entsprechend der in den 50er und 60er Jahren betriebenen Elektrifizierungen und damit einhergehendem Bau neuer Elloks der ÖBB verschob sich das Einsatzgebiet unserer Maschinen etwas weiter nach Osten (speziell Westbahn und Ennstalstrecke). Ein Verzeichnis vom 31.12.1952 zeigt uns folgenden Einsatzbestand: Attnang-Puchheim E 89 101, 103-105, 107-108 (6); Salzburg E 89 001-006, 102, 106, 109 (9). Zum 31.12.1960 war der Bestand nun so aufgeteilt: Attnang-Puchheim 1089.02, 05, 1189.04, 05, 07, 08 (6); Bischofshofen 1089.04, 06, 1189.01, 03, 06, 09 (7); Wels 1089.01, 03 (2). Ab 1969 wurden alle Maschinen dann in Attnang-Puchheim zusammengezogen, wobei die 1089.03 aber nicht mehr dabei war, denn die wurde im April 1968 ausgemustert und als Ersatzteilspender ausgeschlachtet.  
 

Vor der schönen Bergkulisse des Salzkammerguts fährt die 1189.05 mit einem Güterzug durch Bad Goisern (13. Juni 1977). Die Gegend wird zu einem grossen Teil durch die Traun begleitet, die - kurz zuvor aus dem Hallstätter See kommend - nun gen Norden zur Donau strebt.
Foto Wilfred Sieberg

In den letzten Jahren ihrer Einsatzzeit waren die Krokodile im Bahnhof Attnang-Puchheim meist anzutreffen, schliesslich waren sie ja auch hier bei der Zugförderungsleitung eingestellt. Dieses Bild unterstreciht mal wieder die recht zierliche Erscheinung der Lok (Juni 1973).
Foto VOBA

Planende: die alten Damen haben ausgedient
Nach der 1089.03 erwischte es als nächste die 1089.05, die im Januar 1970 entgleiste und abgestellt werden musste. Sie wurde zunächst als Vorheizanlage 01 104 in Bad Aussee weiter beschäftigt. Einsatzmässig konzentrierten sich die Fahrten in den 70er Jahren auf den Raum um den “Heimathafen” Attnang-Puchheim und auf die Salzkammergutstrecke nach Stainach-Irdning. Diese Linie hat ja für den alpenquerenden Verkehr kaum Bedeutung und lässt in vielen Abschnitten wegen der Trassierung auch keine höheren Geschwindigkeiten zu. In dieser Zeit erwachte bei vielen Bahnfreunden ein verstärktes Interesse und die Reptilien wurden entsprechend gejagt, allerdings “schussmässig” nur mit der Kamera!. Einen schönen Farbtupfer für die Fotografen vermittelte ab 1971 die 1189.02, denn die wurde im damals eingeführten neuen Farbschema der ÖBB in blutorange samt Zierstreifen lackiert. Ab 1976 setzte dann die Ausmusterungswelle ein. Als letzter Einsatz im Regelbetrieb wird der 23.11.1979 genannt, den die 1189.05 absolvieren durfte. Zum Glück sind einige Maschinen erhalten geblieben. Die 1089.06 kam im September im Tausch mit einem schweizerischen Krokodil zum Verkehrshaus nach Luzern. Ab 1989 ist die Maschine im Technikmuseum Sinsheim zu Hause. Die 1189.09 konnte als Denkmal im vorarlbergischen Wolfurt aufgestellt werden. Die 1189.05 gehört zum ÖBB-Bahnmuseum und ist als Nostalgiemaschine weiterhin vor Sonderfahrten im Einsatz. Eine besondere Kur erfuhr die ehemals rote 1189.02. Sie wurde 1987 in der Hauptwerkstätte Floridsdorf aufwändig restauriert und weitgehend in den ursprünlgichen Zustand versetzt. Als 1100.102 ist sie in tannengrünem Farbkleid ebenfalls vor Sondereinsätzen zu sehen. 
 

Zwei Maschinen, die etwa gleichaltrig sind (1045.14 von 1928 und die 1189.04 von 1927). Die blutorange Farbgebung täuscht uns ein jüngeres Aussehen der kleinen Ellok vor. Sie wurde oft für leichte Personenzüge und im Übergabedienst verwendet. Die Aufnahme entstand in Bad Aussee im Sommer 1973. 
Foto VOBA

Die als einzige Lok der Baureihen blutorange lackierte 1189.02 wurde nach der Ausserdienststellung in einer aufwändigen Aktion wieder in den weitgehenden Urzustand versetzt. Die Maschine ist seitdem für Sonderfahrten einsatzfähig. Vorbildgerecht erhielt sie die ehemalige Nummer 1100.102 (Ausstellung in Wien Nord im Herbst 1987).
Foto Heinrich Priesterjahn

Ein Bild, das die Faszination der ÖBB-Krokodile bestimmt gut vermitteln kann. Wir sehen einen Güterzug bei der Ausfahrt aus Attnang-Puchheim, wie er in “modellbahnmässiger Kreuzung” auf die Salzkammergutstrecke abbiegt. Es handelt sich um die 1189.06 und eine Schwesterlok, aufgenommen am 13. Juni 1973.
Foto VOBA

Die 1189.08 in voller Schönheit auf der Salzkammergutlinie. Wir befinden uns beim Einfahrbereich von Bad Goisern und erfreuen uns an der Lok samt Zuggarnitur (Juni 1977). Der Zug bietet den Modellbahnern unter uns ein schönes Vorbild. Das Krokodil wurde bereits vor Jahren von der Firma Roco als tolles HO-Modell auf den Markt gebracht.
Foto Wilfred Sieberg

Quellennachweis: Die Daten im Bericht stammen aus untenstehenden Quellen. Weitere Infos sind eigenen Unterlagen entnommen.
Wegenstein, Peter (Red.), Die Reihen 1089 und 1189, Bahn im Bild Band 17, Verlag Pospischil, Wien 1980
Griebl, Helmut, Österreichs Krokodil - Die Baureihe 1100/E89/1089, Eisenbahn-Bildarchiv Band 11, EK-Verlag, Freiburg (Br.) 2005


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